Mietfahrer und Scheinselbständigkeit
Mietfahrer und Scheinselbständigkeit
Angesichts des Kostendrucks und dem vielerorts beklagten Fahrermangel macht sich die Problematik des selbstständigen Mietfahrers vermehrt bemerkbar.
Fast täglich berichten die Medien über schwere Lkw Unfälle, weil die Fahrer sehr wahrscheinlich ihre Fahrzeiten überzogen haben. Lkw Fahrer berichten häufig, dass sie inzwischen zu Dumpinglöhnen arbeiten. Die Arbeitszeiten von Lkw Fahrern sind zwar laut Arbeitsgesetz streng geregelt und werden auch regelmäßig mit Hilfe der Tachoscheiben von der Polizei kontrolliert, parallel dazu steigt aber der Kostendruck der Spediteure. Aber auch die EU-Erweiterung hat für die Logistikbranche einige schwerwiegende Veränderungen gebracht. Im immer größerem Maß werden Güter in der EU transportiert. Einerseits bedeutet das erhöhte Volumen in der Logistikbranche eine große Chance auf Wachstum, andererseits kommen die Billiganbieter aus den neuen EU-Staaten und drücken die Kosten bis auf Dumpingniveau. Kritik wird laut in unserem Land, dass viele Kunden die Waren aus aller Herren Länder, immer billiger und jederzeit im Supermarkt, zur Verfügung haben möchten, was zwangsläufig damit verbunden ist, dass Lkw Fahrer oftmals mehr als 60 Stunden die Woche arbeiten.
Gleichzeitig stagnieren die Kosten für die Lkw Branche, so dass sich so mancher Spediteur die Frage stellt, ob er das versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis, nicht durch einen selbständigen Fahrer ersetzen soll?
Der Trend der Zeit ersetzt heute immer mehr Angestellte durch Mietfahrer oder Subunternehmer, die auf eigene Kosten arbeiten. Für den Auftraggeber ergeben sich dadurch nicht zu unterschätzende Vorteile. Im Krankheitsfall erhält ein selbständiger Fahrer keine Lohnfortzahlung, einen Anspruch auf bezahlten Urlaub hat er selbstverständlich nicht und für die Beiträge zur Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung, muss er ganz allein aufkommen. Um profitabel zu arbeiten, nehmen Mietfahrer oftmals mehr als nur eine Tour an und dabei ist es keine Seltenheit, dass sich an einem Arbeitstag 20 Stunden und mehr ergeben. Das Risiko eines Unfalls steigt unter diesen Situationen dramatisch an. Aber die Angst, die laufend anfallenden Kosten nicht bezahlen zu können, oder die Frage, was tun, wenn es keine Aufträge gibt, zwingt die Mietfahrer immer wieder in prekäre Situationen.
Das Landessozialgericht Baden-Württemberg hat sich ebenfalls mit dieser Problematik beschäftigt und in einem Streitfall das Urteil mit folgendem Leitsatz gefällt:
Wer sich als LKW-Fahrer “vermietet” ohne über einen eigenen LKW zu verfügen, ist abhängig beschäftigt. (LSG Baden-Württemberg Urteil vom 21.11.2008, Aktenzeichen L 4 KR 4098/06).
Im Gegensatz dazu steht das Urteil des Landessozialgericht Bayern vom 29.03.2011 (Aktenzeichen L 8 AL 152/08). Hier wurde dem Inhaber eines Fahrpersonalservices die Selbständigkeit zugesprochen.
Wer sich nun fragt, ja was sind denn jetzt die genauen Kriterien, die einen Mietfahrer oder Scheinselbständigkeit definieren? Die Frage lässt sich leider nicht so leicht beantworten, denn hier wird bei rechtlichen Problemen von Fall zu Fall entschieden. Fest steht nur, dass selbständige Fahrer mit eigenem Fahrzeug als Transportunternehmer gelten und von dieser Problematik nicht betroffen sind. Ebenfalls rechtlich nicht eindeutig geklärt ist, ob ein selbständiger Mietfahrer im Krankheitsfall eines festangestellten Fahrers solange beschäftigt werden darf, bis dieser Fahrer wieder zur Verfügung steht, oder bis ein Ersatzmann für ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis gefunden wurde. In jedem Fall sollte vor Aufnahme der selbständigen Tätigkeit die rechtliche Lage vom Kraftfahrer geklärt werden (Siehe Resümee). Auftraggeber sollten sich dies ordgnungsgemäß bestätigen lassen oder auf ein Personalleasing- bzw. Zeitarbeitsunternehmen zurückgreifen, um rechtliche Probleme auszuschliessen.
Seit die Problematik des Mietfahrers wieder auf der Tagesordnung steht, ist der Stellenmarkt im Internet voll mit Angeboten und ungeklärten Fragen. Ganze Foren beschäftigen sich mit dem Für und Wider des scheinselbstständigen Berufskraftfahrers.
In vielen Fällen von Scheinselbstständigkeit wird der Arbeitnehmerstatus erst dann streitig, wenn man sich entschlossen hat, die Zusammenarbeit aufzukündigen. Falls tatsächlich ein Arbeitsverhältnis bestanden hat, unterliegt die Beendigung des Vertrags den arbeitsrechtlichen Kündigungsbeschränkungen. Indem die Kontrollbehörden ihre Prüfungsroutine sehr oft maßlos vernachlässigen, gehen viele Arbeitgeber dieses Risiko gern ein. Der Grund, weshalb weder die Fahrer noch die Spediteure, Konsequenzen aus einer Scheinselbstständigkeit befürchten, sind die fehlenden Kontrollen. Laut Aussage der Branche finden derartige Kontrollen so gut wie nie statt. Dem Missbrauch sind also Tür und Tor geöffnet.
Was bleibt als Resümee zum Thema Mietfahrer?
Die Praxis spricht in erster Linie gegen eine Selbstständigkeit. Auch wenn viele meinen, durch den Fahrerengpass und die Verlockung der Freiheit, ob und wann, man arbeitet, sollte sich jeder diesen Gedanken zweimal überlegen. Erliegt man den zunächst verlockenden Konditionen, kann sich das Ganze sehr schnell als unkalkulierbarer Boomerang entwickeln.
Unternehmer haben die Möglichkeit, sich bei der Clearingstelle der „Deutschen Rentenversicherung Bund“ oder einem Fachanwalt über alle Einzelheiten genau zu informieren. Dort kann gemeinsam mit Experten geklärt werden, ob tatsächlich eine Sozialversicherungspflicht besteht. Wenn es bei Uneinigkeit der Parteien zu einem Rechtsstreit kommt, ist es für das Gericht oft sehr schwierig zu entscheiden, ob die Elemente der Selbstständigkeit gegeben sind oder eher die Argumente einer nichtselbstständigen Arbeit überwiegen.