Verkehrsrecht: Was hat es mit der Frist zum Nachrüsten von Abbiegeassistenten für Lkw auf sich?
Angesichts der doch häufigen Unfälle während des Abbiegevorgangs hat der Gesetzgeber neue Vorgaben gemacht, die die Sicherheit im Straßenverkehr erhöhen sollen. Im Mittelpunkt der Vorgaben steht die Frage, ab wann Unternehmen ihre Lkw mit einem Abbiegeassistenten ausrüsten müssen. Dieser Artikel beleuchtet die Sachlage genauer und erklärt, ab wann die neuen Regelungen gelten, ob es weitere Übergangsfristen gibt und wie die Umrüstung gefördert wird.
Abbildung 1: Lkw müssen bald alle mit Abbiegeassistenten ausgestattet werden – doch welche Fristen gelten dabei? Bildquelle: @ Seb Creativo / Unsplash.com
Ab wann gelten die Fristen?
Bislang gilt für Lkw ab einer gewissen Länge und mit einem Erstzulassungsdatum spätestens ab Juli 2020 Folgendes:
- Sicherheitsausstattung – die Fahrzeuge müssen mit blinkenden Seitenmarkierungsleuchten ausgestattet sein. Die Leuchten blinken gemeinsam mit dem jeweiligen Seitenblinker.
- Assistenz – zugleich müssen die Fahrzeuge einen Abbiegeassistenten aufweisen, der den Fahrer deutlich vor Gegenständen oder Personen im toten Winkel warnt.
Für Lang-Lkw, die bereits vorher zugelassen waren, gilt eine Übergangsfrist zum Nachrüsten bis zum Juli 2022.
Rund um Lkw gibt es besondere Rechtslagen in Bezug auf die Fristen zum Einbau von Abbiegeassistenten. So sind Fahrzeugkombinationen, also Lkw-Motorhaus plus Hänger, nicht im europäischen Recht geregelt. Seit einigen Jahren wird in Deutschland ein Feldversuch durchgeführt, der auf gewissen Strecken Fahrzeuge auf eine Positivliste setzt.
Aber wie wird eine Nachrüstpflicht überhaupt geregelt? Auf nationaler Ebene allein ist dies nicht möglich, da ein Großteil der auf den Straßen fahrenden Lkw aus dem Ausland stammt. Deutschland muss für die Regelung auf das EU-Typengenehmigungsrecht zurückgreifen. Hierdurch wird der gesetzliche Rahmen für die Pflicht wiederum von der EU geregelt, sodass letztendlich ein Gesetz entstanden ist, welches in ganz Europa Gültigkeit hat und somit keinem Land einen Wettbewerbsvorteil verschafft.
Eine Ausnahme bildet das Bundesland Hamburg. Dort wird die Verpflichtung zum Abbiegeassistenten schon vorzeitig eingeführt, wobei es eine Übergangsfrist bis zum Inkrafttreten des Europagesetzes gibt. Grundsätzlich gilt:
- Ab 01.07.2022 – alle Lkw müssen europaweit mit einem Abbiegeassistenten und Seitenblinkleisten ausgestattet sein.
- Ab 2024 – alle Nutzfahrzeuge müssen mit dem System ausgestattet werden, anderenfalls werden sie nicht zugelassen oder die Zulassung erlischt.
Gibt es Förderungen?
Die Umrüstung des Lkw ist kostenintensiv, denn das Fahrzeug fällt während der Umrüstungszeit aus und die Systeme müssen gekauft werden. Um die Unternehmen zu entlasten und einen weiteren Anreiz neben der gesetzlichen Verpflichtung zur Umrüstung zu geben, hat die Regierung ein Programm für staatliche Förderungen zum Nachrüsten von Abbiegeassistenzsystemen geschaffen:
- Förderfähigkeit – es werden nur die Systeme gefördert, die im Verkehrsblatt am 15.10.2018 veröffentlicht wurden. Die Abbiegeassistenten Truck!Warn und LUIS TURN DETECT gehören mit dazu. Zudem gibt es Anforderungen an die technischen Voraussetzungen.
- Welche Fahrzeuge? – die Förderung bezieht sich rein auf Nutzfahrzeuge und Lkw mit einem Gesamtgewicht von mehr als 3,5 Tonnen sowie Kraftomnibusse mit mindestens neun Sitzplätzen. Die Fahrzeuge müssen gewerblich, zu Ausbildungszwecken, freiberuflich oder öffentlich-rechtlich genutzt werden.
- Wer kann beantragen? – Mieter, Eigentümer, Halter und Leasingnehmer der oben aufgeführten Fahrzeuge können die Förderung beantragen.
- Förderungsart – der Staat zahlt den Betrieben einen Zuschuss auf den Abbiegeassistenten. Der Zuschuss ist zu beantragen, wobei die Beantragung vor dem Einbau des Systems erfolgen muss. Die Förderung bezieht sich auf die Anschaffung und den Einbau des Systems.
Und wie hoch fällt die Fördersumme aus? Der Gesetzgeber sieht bei Einzelmaßnahmen eine Höchstgrenze von 1.500 Euro vor, alternativ 80 Prozent der zuwendungsfähigen Ausgaben. Zugleich gibt es eine Mengenbegrenzung, denn jährlich werden nur zehn Einzelmaßnahmen (Lkw) gefördert.
Jährlich kann die Förderung von Januar bis Mitte Oktober über das eService-Portal des BMVI beantragt werden. Sollten zum Ende der Zeitperiode noch Fördermittel übrig sein, wird die Beantragungsfrist ausgeweitet.
Welche Vorteile bieten diese Assistenten?
Die Einführung einer Pflicht wurde und wird teilweise kontrovers diskutiert. Für Betriebe ist die Nachrüstung ein durchaus erheblicher Kostenfaktor, der in der oft engen Kalkulation nur schwer einzurechnen ist. Anfangs galt die berechtigte Befürchtung, dass deutsche Betriebe einen Wettbewerbsnachteil gegenüber der ausländischen Konkurrenz hätten, wenn diese die Kosten nicht ebenfalls einrechnen müssten. Diese Befürchtung wurde durch das EU-Gesetz aufgehoben, denn die Regelung gilt schlichtweg für alle EU-Länder.
Abseits der Kosten, die förderbar sind, haben Abbiegeassistenten jedoch erhebliche Vorteile:
- Sicherheit – die Sicherheit im Straßenverkehr wird massiv erhöht, da der tote Winkel durch das Assistenzsystem aufgehoben und der Fahrer vor dem Abbiegevorgang gewarnt wird, wenn sich ein Objekt oder eine Person im uneinsehbaren Bereich aufhält. Durch die Blinkleiste entlang des Fahrzeugs können Fußgänger und Radfahrer zudem besser erkennen, ob ein Lkw einen Richtungswechsel durchführt.
- Kostenfaktor – Unfälle beim Abbiegevorgang kosten den Lkw-Halter Geld. Die Fahrzeugversicherung muss für entstandene Schäden aufkommen, der Halter wird hochgestuft und zahlt künftig höhere Versicherungsgebühren.
- Publicity – die Außenwirkung von vermiedenen Unfällen darf nicht verachtet werden. Ein Unfall mit Personenschaden ist stets ein Negativmerkmal und wirkt sich häufig auf den Lkw-Betrieb aus. Jeder Unfall, der vermieden wird, ist eine negative Schlagzeile oder Berichterstattung weniger.
- Mitarbeiterfürsorge – Arbeitgeber haben gegenüber ihren Fahrern eine Fürsorgepflicht. Bei Abbiegeunfällen, die nicht selten Radfahrer oder Kinder betreffen, steht der Fahrer unter einer erheblichen psychischen Belastung. Oft schließen sich längere Arbeitsunfähigkeiten an den Unfall an, die wiederum Kosten für den Arbeitgeber verursachen.
Letztendlich profitieren alle Seiten von der Einführung des Abbiegeassistenten. Der Straßenverkehr wird gerade für Radfahrer und Fußgänger sicherer, der Fahrer muss solche Unfälle weniger befürchten oder verkraften und der Betrieb profitiert auf lange Sicht durch entfallene Unfälle, Höherstufungen und den Wegfall negativer Schlagzeilen.
Abbildung 2: Abbiegeassistenten bieten viele Vorteile. Bildquelle: @ Marcin Jozwiak / Unsplash.com
Fazit – die Umrüstung lohnt sich
Nicht nur durch die Fördermittel, die der Bund für die Nachrüstung der Lkw bereitstellt, ist das Aufrüsten mit Abbiegeassistenzsystemen und durchgängigen Blinkleisten ein Gewinn. Sicherlich entstehen auf den ersten Blick Kosten und das jeweilige Fahrzeug fehlt für die Umrüstungsdauer auf der Straße, doch würde es nach einem Unfall wesentlich länger ausfallen. Zugleich kommt der Betrieb als Arbeitgeber seiner Fürsorgepflicht noch nachhaltiger bei, denn die seelische Belastung des Fahrers, die bei Abbiegeunfällen aufkommt, ist nicht zu unterschätzen.
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