Gratisversand auf dem Prüfstand
Durch den großen Wachstum im Online-Handel steigt zunehmend die Belastung der Paketdienste. Laut Experten könnten diese künftig mit einer Preiserhöhung reagieren – und damit das Ende des kostenlosen Versands für den Verbraucher einläuten.
Onlineshopping wird zunehmend beliebter und dazu gehört für viele Kunden auch ein kostenloser Versand. Das zumindest macht eine Studie der Technologiefirma Pitney Bowes, die sich auf E-Commerce spezialisiert hat, deutlich: 82 Prozent der Befragten bevorzugen einen kostenlosen Versand auch dann, wenn er mit längeren Lieferzeiten verbunden ist, als ein kostenpflichtiger Expressversand. Zu hohe Liefergebühren führen bei vielen Kunden, die mit dem Smartphone oder Laptop einkaufen gehen, zu einem raschen Abbruch des Kaufvorgangs. Ein kostenloser Versand ist für viele Kunden obligatorisch.
Im Zuge des E-Commerce-Booms steigt die Belastung der Paketdienste allerdings in einem Maße, das diese schon bald nicht mehr bewältigen könnten. Insbesondere für die Kernzeiten sehen Fachleute große Schwierigkeiten bei den Kapazitäten der Zusteller. So ist Sven Kromer, der als einer der Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Accenture Strategy tätig ist, sich sicher: Die Preiserhöhung kommt. Um eine Steuerung der großen Nachfrage mittels des Preises werden die Onlinehändler nicht herum kommen. Diese könne jedoch auch in Form von unterschiedlichen Kosten bei den Lieferungszeiten geschehen. So könnten Kunden, die nur während der Hauptzeit beliefert werden können, eine Gebühr zahlen müssen, während diejenigen, die auch zu Nebenzeiten beliefert werden können, günstiger davon kommen.
Das Weihnachtsgeschäft noch ohne Liefergebühren
Kromer schätzt, solch eine Unterscheidung bei den Lieferzeiten würde im Durchschnitt zu einer spürbaren Erhöhung der Preise für Lieferungen führen. Allerdings macht er auch eine kleine Tendenz bei den Kunden aus, vermehrt auf kostenpflichtige Premium-Services bei der Lieferung zu setzen. Er geht davon aus, dass viele Händler noch das sehr lukrative Weihnachtsgeschäft abwarten. Dann jedoch erwartet er eine Erhöhung bei den Liefergebühren, die im zweistelligen Prozentbereich liegt.
Die Transportdienstleister sind sowohl bei der Zustellung als auch in den Lagern an den Grenzen ihrer Kapazität. Das, so Kromer, wird zu Preiserhöhungen führen, welche die Online-Händler gezwungen sein werden, an die Kunden weiterzugeben. Momentan verbergen noch viele von ihnen die Lieferkosten in den Produktpreisen, was künftig jedoch immer schwieriger werden wird. Andere, insbesondere größere Firmen wie Amazon oder Zalando bieten bereits Liefer-Flatrates, die gestaffelt werden nach den gewünschten Zustellzeiten. Ein Beispiel bietet Rewe: Für den Lieferservice an sieben Tagen die Woche kostet die Flatrate 26,99 Euro im Monat, während es bei einer Beschränkung der Lieferzeit auf die Tage Dienstag, Mittwoch und Donnerstag nur noch 18,99 Euro sind. Nach dem Weihnachtsgeschäft könnten sich ähnliche Modelle flächendeckend durchsetzen.
Kein Ende des E-Commerce-Booms in Sicht
Dabei gibt es längst eine Reihe an verschiedenen Gebührenmodellen in der Branche. Diese sind oft jedoch an dem Warenwert und nicht an der notwendigen Arbeit bei der Lieferung selbst gebunden, wie die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen für Sperrgutlieferungen erst kürzlich feststellte.
Der Boom des Onlineshoppings aber wird weiter anhalten. Nach dem Bundesverband E-Commerce und Versandhandel (bevh) wuchs der Online-Handel innerhalb der ersten neun Monate des aktuellen Jahres um 11,3 Prozent im Vergleich zur Vorjahreszeit. Ein Ende ist dabei nicht in Sicht, denn der E-Commerce ist Teil des digitalen Wandels.
Die Folge davon ist eine riesige Flut an Paketen: Experten schätzen, dass es im Jahre 2022 etwa 4,3 Milliarden Pakete werden sollen – was etwa eine Milliarde mehr ist, als jetzt. Zu den langfristigen Lösungen gehören Drohnen und selbstfahrende Transporter, jedoch stellt dies keine kurz- oder mittelfristige Lösung der Kapazitätsprobleme dar, vor denen wir aktuell stehen. Kromer sieht allerdings noch eine Menge an Entwicklungsarbeit auf die Branche zukommen, bevor die Riesenzahl an Paketen durch dynamische Preisregulierungen gesteuert wird.