Bettenmangel für Lkw-Fahrer: Neues Fahrpersonalfahrgesetz erfordert mehr Schlafplätze
Mit dem neuen Fahrpersonalfahrgesetz (FpersG), das am 25. Mai 2017 in Kraft getreten ist, geht an Logistik-Hotspots ein Defizit an Übernachtungsmöglichkeiten für Lkw-Fahrer einher. Diese dürfen ihre vorgeschriebenen Ruhezeiten laut Gesetzgeber seither nicht mehr in ihrem Fahrzeug verbringen, sondern müssen eine geeignete Schlafmöglichkeit aufsuchen. Nahe Autobahnraststätten und Autobahnabfahrten werden die Betten zunehmend knapp.
Die Nachfrage nach preiswerten und verkehrsgünstig gelegenen Übernachtungsmöglichkeiten ist groß. Bauarbeiter, Monteure, Außendienstler und viele andere Berufstätige sorgen für eine gute Auslastung in den Hotels und Boardinghäusern. Aufgrund des neuen Fahrpersonalfahrgesetz benötigen nun auch Lkw-Fahrer einen Platz zum Schlafen, um Bußgeldern vorzubeugen. Ihre wöchentlich regelmäßige Ruhezeit beträgt 24 oder 45 Stunden. Das FpersG besagt, dass Fahrer pro „falsch verbrachter Stunde“ 60 Euro Bußgeld zahlen müssen. Als „falsch“ ist damit das Verbringen der Ruhezeiten im Fahrzeug gemeint. Arbeitgeber sind laut FpersG verpflichtet ihren Fahrern eine „geeignete Schlafmöglichkeit“ bereitzustellen, sollte dies nicht in seiner Privatwohnung oder unternehmenseigenen Räumlichkeiten möglich sein. Sie müssen bei einem Verstoß noch tiefer in die Tasche greifen und werden mit 180 Euro je Stunde bestraft.
Übernachtungsangebot avanciert zum Standortfaktor
Geschäftsführer Güterverkehrszentrum (GVZ) Region Augsburg Ralf Schmidtmann erklärt: „Weil viele Kernstädte keine preisgünstigen Übernachtungen bieten, wird diese Zielgruppe ebenfalls Übernachtungsstandorte entlang der Hauptverkehrsachsen verstärkt nachfragen.“ Investoren, die eine Mischimmobilie am Logistikstandort an der A8 für Tagungs-, Büro-, Gastronomie- und Geschäfts- sowie Schlafräume realisieren, werden bereits seit rund sechs Monaten gesucht. Circa 26.000 Quadratmeter stehen zur Verfügung. In den vergangenen Jahren wurden neue Anlagen in oder in der Nähe von größeren Gewerbegebieten vorwiegend von Budget-Ketten im niedrigen Preissegment gebaut.
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Geschäftsführer von Logivest in München und Marktexperte Kuno Neumeier schlussfolgert: „Für Logistikunternehmen können Übernachtungsangebote ein wichtiger Standortfaktor werden.“ Im Portal Gewerbegebiete.de von Logivest sind neben mehr als 6.000 Standorten in Deutschland Übernachtungsangebote in fast identischer Menge als „points of interest“ erfasst. Demnach ist laut Statistik in jedem Gewerbegebiet beziehungsweise in dessen Reichweite ein Hotel oder Boardinghaus vorhanden. Neumeier macht jedoch darauf aufmerksam, dass diese Rechnung an Standorten mit größtenteils beziehungsweise ausschließlich Logistikunternehmen nicht aufgeht. An derartigen Standorten seien Hotels günstigstenfalls „Nice-to-have“ Angebote. Kritisch hinterfragt wird der Bedarf an besonders stark frequentierten Logistik-Hotspots und Ballungszentren. Lagerflächen und Lkw-Höfe sind dort von Entwicklern bevorzugte Projekte. An der künftigen Nachfrage zweifeln die Investoren, da in der Logistik wenig Menschen im Vergleich zu anderen Branchen auf großen Flächen beschäftigt sind. Das GVZ Augsburg bekommt das ebenfalls zu spüren. Schmidtmann erklärt, dass viele Hotelbetreiber nach festen Rastern suchen. „Wir fallen als reiner Logistikstandort etwas aus dem Rahmen.“ Mit einer Mikroanalyse könnte der reale Übernachtungsbedarf der GVZ-Betriebe sowie der angrenzenden Gewerbegebiete analysiert werden. Eine höhere Vermarktungsquote kann für Investoren ein weiteres Entscheidungskriterium sein. Verkauft wurden bislang um 70 Prozent der Flächen. Ein KV-Terminal gehört zu den Projekten, die auf der übrigen Fläche entstehen sollen.
Dass das Mischimmobilienkonzept in Augsburg aufgehen könnte, unterstreicht Neumeier mit der Erinnerung an Untersuchungen, die neben Autobahnanbindung beziehungsweise KV-Terminals weiche Standortfaktoren einbeziehen: „Auch gastronomische Angebote sind für die Entwicklung eines Standorts wichtig.“ Der Marktexperte bevorzugt auch Autohöfe inklusive Lkw-Stellplätzen als Standort für Übernachtungsmöglichkeiten. Ergänzend ruft er Logistikdienstleister dazu auf, interne Übernachtungsmöglichkeiten zu schaffen. „Schlafräume für Fahrer sollten über eine Kühlung verfügen und nicht direkt in lärmintensiven Bereichen beispielsweise für Be- und Entladung liegen.“ Sind Bestandsgebäude ungeeignet, seien Container eine Alternative. Neumeier räumt ein, dass Entwickler dahingehend vor Herausforderungen gestellt werden.
Lösungen zum Übernachten für Fahrer müssen FpersG sowie Baurecht gerecht werden. Da das FpersG nicht vorschreibt, was eine „geeignete Schlafmöglichkeit“ ist, besteht Interpretationsspielraum. Generell sei damit laut Geschäftsführer Bundesverband Wirtschaft Verkehr und Logistik (BWVL) Detlef Neufang ein „Dach über dem Kopf“ gemeint. Sogar Zelte und Wohnwagen seien denkbar, solange sie nicht direkt am Lkw-Hof platziert sind.